Wenn Akzeptanzforschung falsch übersetzt wird

Wenn Best-Practice-Studien zu falschen Interpretationen führen

Die Akzeptanzforschung zur Energiewende boomt aktuell. Forschende legen Faktoren offen, die für das Gelingen von Wind- oder Solarprojekten wichtig sind. Gern wird in der Forschung mit der Analyse von Best-Practice-Fällen gearbeitet. Klar, woran soll man sonst lernen als an Projekten, die erfolgreich umgesetzt wurden. Doch zu leicht wird in der nachfolgenden Kommunikation Ursache und Wirkung verwechselt.

So wurde z.B. in aktuellen Akzeptanzstudien festgestellt, dass

  • in Orten, in denen es Energiegenossenschaften gibt, die Akzeptanz gegenüber der Energiewende höher ist als in Orten, in denen es so etwas nicht gibt.

  • die Beteiligung von Kommunen und Bürgern an Windenergieanlagen oder Solarparks den lokalen Verbleib der Wertschöpfung sichert und zu höherer Akzeptanz vor Ort führt.

  • Unterstützungsangebote z.B. durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten, in denen sich Bürgerenergieakteure treffen können, zu höherer Akzeptanz führen.

Energiegenossenschaften, finanzielle Beteiligung, weitere Unterstützungsangebote – alles Faktoren, die wichtig für das Gelingen der Energiewende sein können.

Wenn es nicht schon durch die Forschenden selbst empfohlen wird, so werden die Forschungsergebnisse spätestens durch Politik und Verbände in die Richtung übersetzt: „Leute gründet mehr Energiegenossenschaften, Projektierer bietet mehr finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten an oder Bürgermeister unterstützt eure aktiven Bürger bei ihrer Energiewende-Arbeit stärker!“

Hinter der Energiewende stehen immer aktive Menschen

Was dabei vergessen wird: alle lokalen Aktivitäten in Richtung Energiewende werden von Menschen getragen. Wenn es in einem Ort also eine Energiegenossenschaft gibt, heißt das erst einmal nur, dass es hier Menschen gibt, die von der Energiewende begeistert sind und sie mitgestalten wollen. Wenn sie ihren Traum verwirklichen und finanziell von Energieprojekten profitieren, hat das auch Wirkung auf Nachbarn und Freunde vor Ort. Und tatsächlich lässt sich in diesem Ort dann auch eine höhere Akzeptanz messen.

Was hilft dann aber der Aufruf: „Leute, gründet Energiegenossenschaften!“, wenn es vor Ort niemanden gibt, der aktiv in diese Richtung gehen will?

Nicht die Gründung einer Energiegenossenschaft ist es, die zu höherer Akzeptanz führt, sondern aktive Menschen, die ihre Träume verwirklichen und dabei lokal die Aufgeschlossenheit gegenüber der Energiewende erhöhen. Wenn es diese aktiven Menschen aber nicht gibt, kann auch keine Begeisterung für die Energiewende entstehen.

Und so ist es auch mit anderen Gelingensfaktoren. So können pragmatisch agierende Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister entscheidend für den Erfolg von Energiewendeprojekten sein. Was aber, wenn es diese Pragmatiker vor Ort nicht gibt?

Auch Unterstützergruppen können einen enormen Beitrag dabei leisten, dass Wind- und Solarparks umgesetzt werden. Doch was, wenn das lokale Meinungsklima vor Ort durch Bürgerinitiativen bereits so in Richtung Ablehnung der Projekte geprägt ist, dass die Stimmen der Unterstützer gar nicht mehr gehört werden?

Hinter all den schönen Faktoren, die zu mehr Akzeptanz führen sollen, stecken also Menschen – Menschen, die manchmal allein aktiv werden, Menschen, die man manchmal aktivieren kann, und Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht aktiv werden können oder wollen, wie bei der so gern zitierten schweigenden Mehrheit.

Menschen warten nicht auf faire Beteiligung, sondern wollen keine Windparks

Und da sind wir bei einem zweiten Übersetzungsproblem. Da Forschende gern Best-Practice-Fälle untersuchen, haben sie es vor Ort auch oft mit sehr aktiven Menschen zu tun. Doch daraus lässt sich nicht schließen, dass alle Bürgerinnen und Bürger vor Ort genauso aufgeschlossen sind.

Genau das suggerieren aber viele Statements aus Wissenschaft, Politik oder Verbänden:

„Die mangelnde Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in die Energiewende hat zu wachsendem Widerstand geführt.“ oder

„Um die Akzeptanz von Energieprojekten zu steigern, ist zunächst ein grundlegendes Angebot von fairen Beteiligungsmöglichkeiten für die Bevölkerung in der Region von Bedeutung.“ Oder

„Die Beteiligung der Bevölkerung spielt für das Gelingen der Energiewende eine Schlüsselrolle. Bürger verlangen mehr Beteiligung. Sie wollen sich aktiv in die Gestaltung ihres Lebensumfeldes einbringen.“

Das klingt so, als würden die Bürgerinnen und Bürger vor Ort nur darauf warten, dass endlich jemand vorbeikommt, der ihnen ein Beteiligungsangebot macht und sie endlich mitgestalten zu können. Doch so ist es ganz und gar nicht. In Orten, in denen Energieprojekte umgesetzt werden sollen, wartet so gut wie niemand darauf, sich endlich an die Gestaltung der Energiewende zu beteiligen. Die Leute wollen keine Beteiligung an einem Windpark, sondern ihre Ruhe. Und Protest und Widerstand entstehen in erster Linie nicht, weil Bürger nicht in die Planung einbezogen wurden oder weil nicht auf Augenhöhe mit ihnen geredet wurde, sondern weil sie keine Windräder vor ihrer Nase haben wollen.

Natürlich sollten lokale Veränderungsprozesse gut kommunikativ begleitet und moderiert werden, doch sollte man ehrlicherweise nicht von einem Menschenbild ausgehen, dass es in Akzeptanzfragen nur um den fairen und gerechten Umgang mit einer ansonsten sehr für die Energiewende aufgeschlossenen Bevölkerung geht.

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