Auch “gute” Projekte werden abgelehnt

Gern wird so getan, als wäre es nur die technische Infrastruktur wie neue Windparks, neue Straßen oder neue Wohngebiete, die vor Ort auf Ablehnung stoßen. Schließlich sorgen sie dafür, dass noch mehr Fläche versiegelt wird, dass noch mehr Vögel an Rotorblättern getötet werden. Doch die Technik ist nicht das eigentliche Problem. Denn tatsächlich stößt auch die Einrichtung von Naturschutzgebieten, das Fällen von Bäumen oder die Wiedervernässung von Mooren auf oft erbitterten Widerstand.

Es geht nämlich nicht darum, ob ein Windrad oder ein Solarpark das Landschaftsbild verändern. Es geht um Veränderung generell. Und während generelle Veränderung in uns Menschen eine gewisse Unlust hervorruft, führt von außen oder von “oben” aufgezwungene Veränderung zu Abwehr.

Wiedervernässung der Heimat

So lässt ein Naturschutz-Großprojekt seit Ende 2022 die Wellen im Oderbruch hochschlagen. Eine 1.700 ha große Fläche im Osten von Brandenburg soll wieder ein Moor werden. Aktuell wird hier jedoch Ackerbau betrieben und die Pläne der “Naturschützer” kommen nicht sonderlich gut in der einheimischen Bevölkerung an. Insbesondere das Wort “Vernässung” lässt in vielen Köpfen Ängste entstehen. Werden die Häuser am Rande der Vernässungsflächen gleich mitvernässt? Die Bewohner kennen zudem Beispiele, bei denen “artenreiches Grünland” zu “artenarmem Sumpf” gemacht wurde, der die Landschaft verunstalte und in heißen Sommern Unmengen an Mücken produziere. Manche befürchten gar, dass durch das Naturschutz-Projekt das gesamte Oderbruch wieder in den Zustand vor der Kultivierung durch Friedrich den Großen zurückgeführt werden soll und den hier lebenden Menschen ihre Heimat genommen wird.

Eingeschränkter Tourismus

Ein weiteres Beispiel aus Sachsen. Hier brachte ein Waldbrand im Sommer 2022 das Fass zum Überlaufen. Seit mehr als 30 Jahren gibt es den Nationalpark Sächsische Schweiz. Und genauso lange beklagen die Anliegergemeinden eingeschränkte Möglichkeiten der Gemeinde- und Tourismusentwicklung. So wollte die Gemeinde Hohnstein ihren Ort durch einen Klettergarten an den steilen Felswänden oder durch eine frei schwebende Hängebrücke touristisch attraktiver machen, aber alle Vorstöße wurden von den Naturschutzbehörden abgelehnt. Durch den Waldbrand im Nationalpark kam eine reale Gefahr für Leib und Leben hinzu. Die Gemeinden sahen durch das Nichtberäumen des Totholzes im Nationalpark die Gefahr, dass das Feuer auf die angrenzenden Häuser übergreift. In Hohnstein gründete sich am 17. August 2022 eine Bürgerinitiative, die den Schutzstatus von “Nationalpark” in “Naturpark” umändern will. Dann könnten neben dem Naturschutz auch andere Interessen wieder verwirklicht werden.

Kommunikation und Aufklärung

Wie das Beispiel in der Sächsischen Schweiz zeigt, sind Kommunikation und Aufklärung dringend erforderlich. Vor 30 Jahren wurde hier ein Veränderungsprozess angestoßen, auf den Naturschützer stolz sind und den Touristen zu schätzen wissen. Doch gleichzeitig liegt der Nationalpark wie ein Fremdkörper in der Region, in der Menschen leben, die auch ganz andere Interessen haben. Der Veränderungsprozess wurde nicht von den Menschen in der Region angestoßen, sondern von “oben” in die Region gebracht. Ähnlich ist es im Oderbruch. Auch hier kam die Entscheidung für die Wiedervernässung einer Moores nicht aus der Region, sondern von “oben”. Auch hier fühlen sich Menschen mit ihren Interessen nicht gehört. Manchmal sind schmerzliche Entscheidungen notwendig, um wie im Falle das Naturschutzes Veränderungen anzustoßen. Doch dann ist es um so wichtiger, die Menschen vor Ort mitzunehmen, ihnen zuzuhören und als Veränderer vor Ort Gesicht zu zeigen.

Beteiligung und Kommunikation

Andere sind da schon weiter. Im Großraum Stuttgart steht in diesem Jahr die forstliche Planung im Staatswald für die nächsten 10 Jahre an - die sogenannte Forsteinrichtung. In dieser Waldplanung werden Nachhaltigkeitsziele und konkrete Maßnahmen festgelegt. Erstmalig sollen auch Bürgerinnen und Bürger an der Planung der Landeswälder in Baden-Württemberg mitwirken können. Für den Forstbezirk Schönbuch sollen bei einer Studie die beliebtesten Plätze, Wege, Sport- oder Wellnessbereiche im Wald herausgearbeitet werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie zeichnen mittels Handy, Laptop oder Tablet Orte in eine Karte, an denen sie sich im Wald erholen. So lassen sich auf der Landkarte Bereiche für unterschiedliche Erholungs- und Freizeitaktivitäten, Plätze für sozialen Austausch oder auch Störfaktoren identifizieren.

Veränderung braucht einen langen Atem

Egal ob es um Waldumbau oder um die Energiewende geht, jede Region, die verändert werden soll, hat viele sehr unterschiedliche Nutzer. Und die müssen mitgenommen werden. Beteiligung der Nutzer an der Planung der Wende- und Wandel-Projekte ist somit ein wichtiger Gelingensfaktor für diese Projekte. Vor allem braucht es für Veränderung aber einen langen Atem.

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Wenn Akzeptanzforschung falsch übersetzt wird

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