Akzeptanz ist eine Frage der Perspektive

Ach, Umfragen sind doch etwas Schönes, wenn sie die eigene Meinung stützen. Man kann sich mit dem guten Gefühl zurücklehnen, die Welt ist doch eigentlich in Ordnung. Gerade erschien das soziale Nachhaltigkeitsbarometer zur Energie- und Verkehrswende. Da wurde auch nach der Akzeptanz von Erneuerbaren-Energien-Anlagen im Wohnumfeld gefragt. Und wie immer bei solchen Umfragen sprechen die Zahlen von überwältigender Akzeptanz. Sage und schreibe 60% der Befragten würden Windenergieanlagen in ihrem Wohnumfeld akzeptieren. Bei Solarparks wären es sogar fast 70%. Dass es in der Praxis bei weitem nicht so rosig um die Akzeptanz von Windrädern oder Solarparks bestellt ist, sei einmal dahingestellt.

Wer sich an dieser Stelle der Umfrage bereits dem nächsten Thema zugewandt hat, hat allerdings den spannenden Schlussteil der Umfrage verpasst. Da wurde nämlich gefragt, welche “Umstände” dabei helfen könnten, dem Bau von Erneuerbare-Energien-Anlagen zuzustimmen. Im Angebot waren “aktive Beteiligung am Planungsprozess”, “persönliche finanzielle Entschädigung”, “finanzielle Entschädigung der Kommune”, “Beteiligung an einer Bürgerenergiegenossenschaft” oder “dass man die Anlagen nicht sehen würde”. Und jetzt raten Sie mal oder wissen Sie es schon?

Etwa 27% der Befragten würden den Windpark akzeptieren, wenn sie aktiv am Planungsprozess beteiligt werden würden. 22% würden den Windpark akzeptieren, wenn sie persönlich finanziell profitieren würden. Aber 48% der Befragten würden den Bau eines Windparks in ihrer Umgebung akzeptieren, wenn sie ihn nicht sehen müssten!!! Das ist schon erschütternd, weil dieses Ergebnis die hochgelobte Beteiligungspraxis konterkariert. Hauptsache, ich sehe die Dinger nicht. Der Rest ist mir egal.

Die äußere Perspektive hat also eine sehr deutliche Wirkung auf die innere Einstellung. Wenn ich Windräder, einen Solarpark, die Hochspannungsleitung, die neuen Reihenhäuser, den Gewerbepark in meinem Wohnumfeld sehe, bin ich dagegen. Wenn ich sie nicht sehe, bin ich eher dafür.

Und dieses Prinzip ist viel kleinteiliger, als man sich das allgemeinhin vorstellt. Wir waren kürzlich in einer Haustürbefragung unterwegs, um die Haltung der Einwohner zu einem geplanten Solarpark zu erfragen. Während die Menschen des Hauptortes den geplanten Solarpark ganz überwiegend begrüßten, wurde der Park von den Einwohnern der beiden betroffenen Ortsteile zu fast 90% abgelehnt. Und es wird noch verrückter! In einer anderen Haustürbefragung, in der es um die Akzeptanz von drei Windrädern ging, begann ich meine Befragung und bekam in der Straße nur Ablehnung zu hören. Dann bog die Straße links ab und plötzlich stimmten die Bewohner den Windrädern zu! Hallo?! Ja, von ihrer Terrasse würden sie die Windräder ja gar nicht sehen, also könnten sie auch zustimmen.

Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz ist also eine Frage der Blickrichtung aus dem Wohnzimmerfenster! Liebe Planer, das ist doch mal eine konkrete Anregung bei der Planung Ihres Bauvorhabens einmal genauer hinzuschauen!

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Den Kampf ums Klima gewinnt man mit Aktionen nicht mit der Moralkeule

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Dialog und Beteiligung müssen an den Bedarfen der Menschen ansetzen.