Praxis-Tipps im Umgang mit Bürgerprotesten

Seien Sie präsent, zeigen Sie sich, kommen Sie direkt mit den Menschen ins Gespräch - am besten dort, wo Sie tatsächlich bauen wollen. So können sich die Bürger:innen ein eigenes Bild von Ihrem Bauvorhaben machen und müssen nicht auf Hörensagen reagieren.

Immer wieder hören wir von Bauunternehmern: “Aber wir sind doch vom Gemeinderat gar nicht eingeladen worden, unser Projekt vorzustellen!” Ja, und? Dann werden Sie eben selbst aktiv und organisieren ihre eigene Informationsveranstaltung und damit ihre eigene Öffentlichkeit. Gemeindevertretungen agieren gern wie ein Türsteher und lassen “Fremde” nur ungern in “ihre” Gemeinde. Aber wenn Ihnen der Grund und Boden gehört, was hält Sie auf?

Sie brauchen einen Pavillon, um wetterunabhängig zu sein, gegebenenfalls eine Bühne, Mikros und Lautsprecher sowie einen Starkstromanschluss. All das geben Sie am besten in die Hände einer Veranstaltungsagentur. Vergessen Sie nicht, bei der Gemeinde einen Antrag auf Ausnahmezulassung zur Benutzung von Tongeräten einzuholen und falls Sie die Straße vor Ihrem Baugrundstück brauchen, sollten Sie auch die Sondernutzung von öffentlichem Straßenraum beantragen. Mit einer Bratwurst und etwas zu trinken in der Hand hören Ihnen Ihre Gäste auch gern zu. Hier suchen Sie sich am besten einen Caterer aus dem Ort. Für das Catering müssen Sie eine Genehmigung vom Gewerbeamt einholen.

Und auch die Einladung ist schnell erledigt. Wenn Sie rechtzeitig dran sind, lohnt sich eine Anzeige im Amtsblatt. Ansonsten telefonieren Sie mit dem Lokalredakteur, ob er einen exklusiven Artikel zum Bauvorhaben veröffentlichen will und in dem Zusammenhang auch auf die Informationsveranstaltung verweisen kann. Ansonsten hängen Sie Plakate aus und alle Anwohner bekommen natürlich einen Handzettel in ihre Briefkästen.

Als Veranstaltungsformat haben sich “Info-Märkte” bewährt. In den Ecken des Pavillons stehen Informationstafeln zu Themen wie “Stand der Planung”, “Auswirkungen auf Natur und Umwelt” oder “Aussehen des neuen Wohngebiets”. Und wie auf einem Marktplatz können die Besucher Ihres Info-Marktes von einer Station zu nächsten wandeln und dort direkt mit Ihnen, Ihren Mitarbeitern oder den Vertretern der Planungsbüros, mit denen Sie zusammenarbeiten, direkt ins Gespräch kommen. Falls Sie vor Ort bereits Unterstützer Ihres Bauvorhabens kennen, laden Sie diese unbedingt persönlich ein.

Wenn Sie Ihren Info-Markt frühzeitig durchführen, sind Sie es, der die öffentliche Meinung zu Ihrem Bauvorhaben prägt und nicht irgendwelche Gerüchte. Außerdem wird eine offensive Informationspolitik von den Einwohnern, aber auch von vielen Gemeinderäten geschätzt. Selbst wenn Sie mit Ihrem Projekt schon ziemlich viel Gegenwind vor Ort haben, kann es sich lohnen, einen Info-Markt durchzuführen, um zu zeigen, dass Sie gesprächsbereit sind.

In einem Projekt, in dem die Windräder eines bestehenden Windparks gegen weniger, aber größere Windräder ausgetauscht werden sollten, hatte sich vor Ort heftiger Widerstand entwickelt. Die Straßen waren gesäumt mit Plakaten, Transparenten und den großen gelben Holzkreuzen. Die Zeitungen waren voller Kritik und der Gemeinderat stand aufgrund komplett gegensätzlicher Positionen kurz vor der Auflösung. Wir hatten für den Windprojektierer eine Stakeholderanalyse angefertigt und die Moderation von Veranstaltungen übernommen. Und obwohl eigentlich keine Kommunikation mehr möglich schien, ließen wir den Termin für den Info-Markt bestehen, rechneten aber mit dem Schlimmsten. Tatsächlich erschien eine große Anzahl Bürgerinnen und Bürger auf dem Infomarkt. Alle hatten Transparente dabei und skandierten “Die Windräder sind zu groß, zu laut und zu dicht am Dorf dran!” Und dann passierte das Unerwartete. Nachdem der erste Dampf verflogen war, gesellten sich die ersten Bürger an die Info-Stände - nicht um über Windräder zu reden. Sie begannen sich mit den Mitarbeitern der Windfirma über ganz alltägliche Dinge zu unterhalten, stellten fest, dass sie ähnliche Hobbies hatten, denselben Fußballklub mochten. Und das war das Entscheidende an diesem Abend: die Dorfbewohner merkten, dass die Mitarbeiter der Windfirma keine Monster, sondern ganz normale Menschen waren.

Zurück
Zurück

Das Kreuz mit dem Entscheid

Weiter
Weiter

Tipp 9: Eine Hand wäscht die andere