Das Kreuz mit dem Entscheid

Der Verein Mehr Demokratie aus Berlin gibt alle zwei Jahre einen Bürgerbegehrensbericht heraus. Darin ist detailliert festgehalten, zu welchen Themen Bürgerentscheide stattfanden, in welchen Bundesländern wieviele Entscheide durchgeführt wurden, wie erfolgreich sie waren usw. Was nicht erfasst ist, ist, was Bürgerentscheide mit den Gemeinden machen, in denen sie durchgeführt wurden.

Im Fazit des Bürgerbegehrensbericht 2018 wird dazu festgehalten: “Bürgerentscheide bieten die große Chance, sich über das Thema umfassend zu informieren, dabei zu lernen und vor allem auch Sach-Politik in der Familie, im Freundes- und Kollegenkreis, ja sogar auf öffentlichen Plätzen bei Informationsveranstaltungen zu diskutieren.” Und einen Absatz weiter steht: “Bürgerentscheide sind Instrumente zur Selbstermächtigung. Bürger/innen werden von Zuschauern zu Akteuren der Lokalpolitik. Wer sich bis dahin oft ohnmächtig fühlte, kann durch die direkte Demokratie die eigene Macht zur Veränderung spüren. Es entscheiden nicht mehr „die da oben“, sondern alle Menschen, die ihren Namen unter eine Unterschriftenliste setzen und ihre Stimme in die Abstimmungsurne werfen.”

So schön, wie das klingt, aber diese Segnungen der direkten Demokratie haben in sehr vielen Fällen leider überhaupt nichts mit der Praxis zu tun.

In der Praxis sind Bürgerentscheide Instrumente, die sehr oft zu extremer Lagerbildung führen, die Freundschaften zerstören und ganze Dörfer zerreißen. Es geht nicht darum zu lernen, sondern die eigene Position zu verteidigen und den Gegner mundtot zu machen. Es geht nicht um sachliche Diskussion, sondern um hochemotionalen Streit. Und schon gar nicht geht es darum, etwas gemeinsam zum Besseren zu verändern.

Wichtig wäre es deshalb, Bürgerentscheide künftig von erfahrenen Beteiligungsexperten begleiten zu lassen. Und noch wichtiger ist es, endlich das hübsche basisdemokratische Mäntelchen von Bürgerentscheiden zu nehmen und mit einer ehrlichen Begleitforschung zu den sozialen Folgen von Bürgerentscheiden zu beginnen.

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Tipp 10: Informieren Sie offensiv