Wenn Solarparks Dörfer spalten

Stefan Freimark hat einen schwierigen Job. Er ist Bürgermeister von Gumtow, einer Gemeinde in der Prignitz, also einer Region ganz im Nordwesten von Brandenburg. Das Schwierige an dem Job von Bürgermeister Freimark ist, dass seine Gemeinde aus 16 Dörfern besteht und die liegen zum Teil 15 km auseinander. Sprich: Da ist viel Fläche dazwischen. Die Fläche wurde bislang als Ackerland genutzt. Doch zunehmend wird sie für Projektierer von Freiflächen-PV-Anlagen interessant. Die Anfragen potenzieller Solarpark-Bauer sind mittlerweile so hoch, dass der Bürgermeister und die Gemeindevertretung beschlossen haben, nur noch einen “Solar-Fall” pro Gemeindevertretersitzung zu behandeln.

Und noch etwas wurde von der Gemeindevertretung beschlossen - Richtlinien für die Errichtung von Solarparks in der Gemeinde Gumtow. Denn anders als die solare Energiewende im Großen, findet sie immer dann, wenn es konkret wird, nicht nur Befürworter. Dorf für Dorf zerstritten sich die Bewohner. Konflikte gab es zwischen denen, die von einem Solarpark profitieren würden, und denen, die nur zuschauen konnten, zwischen Energiewendebefürwortern und -gegnern, zwischen Alteingesessenen und aus Berlin Zugezogenen. In den Richtlinien definierten die Gemeindevertreterinnen und -vertreter deshalb 16 Kriterien, die klar regeln sollen, wann ein Solarpark gebaut werden darf und wann eben nicht.

Gleich im ersten Punkt wird die Durchführung einer Einwohnerinformationsveranstaltung vorgeschrieben, der eine geheime Einwohnerbefragung folgen soll. Der Abstand zu Wohngebäuden wird auf 500 m festgelegt. Bürgerinnen und Bürgern und der Gemeinde muss die Möglichkeit eingeräumt werden, sich am Solarpark als Anteilseigner zu beteiligen. Und es dürfen nur Acker- und Grünlandflächen mit einer maximalen durchschnittlichen Bodenwertzahl von 28 für ein Solarfeld genutzt werden.

Natürlich versuchen Einwohner auch weiterhin ihre Interessen auf anderen Wegen durchzusetzen und sammeln z.B. auf eigene Faust Unterschriften. Und auch in den Informationsveranstaltungen kann es hoch hergehen. Eine Veranstaltung musste sogar abgebrochen werden, weil einzelne Akteure drohten handgreiflich zu werden. Aber im Großen und Ganzen funktioniert das Modell. Und die Gemeindevertretung hat klare Kriterien in der Hand, nach denen sie eine Solarpark-Anfrage ablehnt oder bestätigt.

Ganz anders die Situation in anderen Teilen Brandenburgs. Es gibt kaum noch ein Solar-Projekt gegen das es keinen Widerstand gibt. Und in den Dörfern prallen die unterschiedlichen Interessen ungeregelt aufeinander - so wie früher auch in Gumtow. Gegner und Befürworter stehen sich feindselig gegenüber, beide Seiten rüsten verbal auf und das Klima im Dorf ist oft auf Jahre vergiftet - wegen des Solarparks, aber auch weil es keine Regeln dafür gibt, wie die Gemeinde mit ihrer Genehmigungshoheit umgehen soll. Am schlimmsten leidet zur Zeit das Dorf Tempelfelde, einem Ortsteil der Gemeinde Sydower Fließ im Landkreis Barnim. Hier soll ein 200 ha großer Solarpark entstehen. Und seit mehreren Monaten ist der Ort im Ausnahmezustand. Inzwischen geht es nicht mehr nur um verbale Attacken. Mittlerweile bekommt der Flächeneigentümer Morddrohungen und der Bürgermeisterin wird Amtsmissbrauch und Kungelei vorgeworfen.

Gemeinden tun also gut daran, klare Regeln aufzustellen, wie sie mit den Anfragen nach Flächen für Solarparks umgehen wollen. Und Projektierer tun gut daran, diese Regeln zu berücksichtigen und vielleicht auch kreativ zu nutzen.

  • So ließe sich das Kriterium, dass die Bodenwertzahl maximal bei 28 liegen darf, nutzen, um mehrere Flächen in der Region in den Blick zu nehmen. Dann würde der Projektierer der Gemeinde nicht nur eine Fläche vorlegen, zu der sie ja oder nein sagen kann, sondern die Gemeinde in den Entscheidungsprozess einbeziehen.

  • Der Projektierer könnte der Gemeinde auch Geld für einen Konfliktmoderator zur Verfügung stellen, so dass “schwierige” Informationsveranstaltungen professionell moderiert werden und nicht aus dem Ruder laufen.

  • Möglich wäre es auch, die Einwohnerbefragung als Haustürkampagne zu gestalten. So bekäme man ein fundiertes Bild über die Stimmungen und Meinungen im Ort und nicht nur die Zahl der Pro- und Contra-Stimmen.

Über kurz oder lang wird es aber nicht mehr möglich sein, die Regulierung der Ansiedlung von Freiflächen-Solarparks komplett auf die Gemeindeebene abzuwälzen. Hier muss von Landesseite Verantwortung übernommen werden, wenn die Energiewende denn gelingen soll.

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Sind Bürgerräte noch zeitgemäß?

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