Warum Scheinbeteiligung keine gute Idee ist

und trotzdem gemacht wird.

Ich kann mich an einen Fall erinnern, in dem es um die Planung von fünf Windrädern ging. Der Gemeinderat wollte nur zustimmen, wenn sich bei einer Abstimmung eine Mehrheit der Bewohner für das Projekt ausspricht. “Mehrheit ist Mehrheit” dachte der Bürgermeister und legte die Bürgerabstimmung in die letzte Ferienwoche, überzeugt davon, dass sich da nur wenige Bürger:innen blicken lassen würden und sich Mehrheiten leichter organisieren ließen. Natürlich flog das Ganze auf. Der Termin sprach sich herum und trotz Ferienzeit saßen plötzlich 600 wütende Menschen im Saal, die ihrem Bürgermeister zeigen wollten, was sie von dem Schwindel hielten. Bei der Abstimmung gab es dann auch eine klare Mehrheit - gegen den Windpark!

In einem anderen Beispiel wurden Bürgerinnen und Bürger in einen breiten Beteiligungsprozess zur zukünftigen Entwicklung ihrer Stadt eingebunden. Die Begeisterung der Menschen war groß und sie beteiligten sich mit großem Engagement. Was sie nicht wussten, die Stadtverwaltung brauchte die Bürgerbeteiligung nur als Legitimation ihrer eigenen (bereits fertigen) Planungsziele gegenüber der Politik. Nach dem Motto: 200 Bürgerinnen und Bürger haben an der Zukunft unserer Stadt mitgeplant. Nur dass sich von den vielen Ideen aus der Bürgerschaft fast nichts im Zukunftsplan wiederfand. Entsprechend enttäuscht waren die Menschen und die Politikverdrossenheit wuchs.

In beiden Fällen hätte ernst gemeinte Bürgerbeteiligung zu einem neuen Aufbruch führen können. Menschen mit ihren Ideen, ihrem Mut, ihrem Engagement gestalten den eigenen Ort. Also warum nutzen die Oberen einer Stadt nicht das Potenzial ihrer Bürgerinnen und Bürger?

Der Bürgermeister des kleinen Ortes handelte aus einem gewissen Verantwortungsgefühl heraus. Er wollte gern Ruhe in “seinem” Ort bewahren. Wahrscheinlich auch, weil ihm sein Bauchgefühlt schon sagte, das Thema könnte aus dem Ruder laufen. Der Chef der Stadtverwaltung wusste, Bürgerbeteiligung muss heutzutage sein. Aber er wollte sich auch nicht “seine” langjährigen Planungen von ein paar spinnerten Bürgerideen kaputt machen lassen. In beiden Fällen geht es also um Kontrolle! Und Bürgerbeteiligung trägt immer etwas Unkontrollierbares in sich. Bürgerinnen und Bürger haben andere Ideen, neue Ideen für ihren Ort, abseits der ausgetretenen Pfade. Und die Auseinandersetzung mit all diesen neuen Ideen und anderen Meinungen ist meist sehr mühsam.

Deshalb wird man weder den Bürgermeister noch den Verwaltungschef mit Floskel wie “Am Ende steht doch ein Gewinn für die Stadt und ihre Bürger!” überzeugen. Das Bedürfnis nach Kontrolle ist real. Was beide wirklich brauchen, sind kluge Beteiligungsformate. Formate, bei denen Beteiligung nicht so schnell aus dem Ruder laufen kann. Statt großer Bürgerinformationsveranstaltungen lieber Haustürkampagnen. Statt Rathaussaal lieber Gespräche im Sportverein und bei der Freiwilligen Feuerwehr. Statt eigener Tagungsleitung lieber externe Moderation. Gespräche in kleinen Runden bleiben überschaubar und man erfährt, wo der Schuh wirklich drückt, aber auch, wo sich Lösungswege aufzeigen.

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Herausforderungen früher Öffentlichkeitsbeteiligung