Herausforderungen früher Öffentlichkeitsbeteiligung

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist heute das Mittel der Wahl bei der Umsetzung größerer Bauvorhaben! Früher wurde erst geplant, dann in formellen Verfahren beteiligt und letztlich der Plan umgesetzt. Nur dass es bei der Umsetzung dann häufig zu Protesten, Klagen, Verzögerungen oder auch zum Abbruch des Projektes kam. Um die Planungssicherheit für Vorhabenträger zu erhöhen, so die Überlegung, müssten die unterschiedlichen gesellschaftlichen Interessen möglichst früh in den Planungsprozess geholt werden. Denn nur in dieser Phase besteht noch genügend Spielraum, um Veränderungen am Bauvorhaben vorzunehmen.

Und tatsächlich funktioniert frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ja auch. Sie bringt für Bauträger und Anwohner aber auch ein paar neue Herausforderungen mit sich. Und wenn diese Herausforderungen nicht gesehen werden, kann frühe Öffentlichkeitsbeteiligung statt zu mehr Akzeptanz sogar zu mehr Misstrauen führen.

Vor zwei Jahren waren wir für einen Investor tätig, der einen Freizeit- und Gewerbepark bauen wollte. Der Vorentwurf für den Bebauungsplan war eingereicht, was zur Folge hatte, dass über das Bauvorhaben in der Regionalzeitung berichtet wurde. Erster Unmut regte sich. Deshalb gingen wir vor Ort und klingelten an vielen Haustüren, um mit den Anwohnern zu sprechen. Es zeigte sich, dass die Menschen eigentlich nichts gegen das Bauvorhaben hatten, weil die für den Bau vorgesehene Fläche am Ortseingang wirklich ein “Schandfleck” war. Aber die Menschen wollten sich ein eigenes Bild davon machen, was sie erwartet. Sie wollten wissen, wie das Gebäude aussehen wird, das künftig den Ortseingang “schmücken” sollte. Der Bauherr war etwas überrascht, weil die Behörden in dieser frühen Planungsphase eigentlich nur Bauflächen sehen wollen. Er kam aber dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach, beauftragte ein Grafikbüro und konnte in einem Informationsfaltblatt jetzt auch ein Bild von dem Gebäude vorlegen.

Aber auch für die Betreiber netzförmiger Infrastruktur bringt die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung neue Herausforderungen mit sich. So würde die Deutsche Bahn ihre ICEs zwischen Hannover und Bielefeld gern schneller fahren lassen und sucht dafür eine neue bzw. eine neue-alte Bahntrasse. Ganz im Beteiligungs-Zeitgeist lud sie deshalb Anfang 2021 alle Interessierten zu einem Planungsdialog ein, obwohl in dieser sehr frühen Planungsphase außer den beiden Endpunkten Hannover und Bielefeld noch gar nichts feststand. Damit musste die Bahn die 1.000 Teilnehmer:innen an dem Onlinedialog natürlich enttäuschen. Denn kaum einer der Interessierten konnte sich vorstellen, dass die Bahn einladen würde, wenn sie nicht schon fertige Pläne in der Schublade hätte. Zur Enttäuschung, dass nichts Konkretes vorgestellt wurde, kam so auch noch das Misstrauen hinzu.

Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung braucht deshalb vor allem eines: viel und kleinteilige Kommunikation. Hier kann die Deutsche Bahn von den Erfahrungen der Netzbetreiber wie 50Hertz beim Stromnetzausbau zu lernen. Entscheidend für die lokale Akzeptanz sind kleine Teams aus Fachleuten für Technik und Fachleuten für Kommunikation, die gemeinsam vor Ort Gesicht zeigen und über die gesamte Planungsphase ehrliche Ansprechpartner für die Menschen im Planungsraum sind.

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Warum Scheinbeteiligung keine gute Idee ist

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