Mögen die Bayern Windräder?

Aha, in Bayern stößt die Nutzung der Windenergie also auf Akzeptanz! Jedenfalls behauptet das ein Artikel aus Bayern und beruft sich dabei auf sieben Bürgerentscheide, die in den letzten zwei Jahren alle gewonnen wurden. So ergab im Dezember 2022 eine Bürgerbefragung dreier Frankenwaldgemeinden im Landkreis Kronach eine Mehrheit von 85 Prozent für einen großen Windpark. In Üchtelhausen (Landkreis Schweinfurt) stimmten im Juni 2022 mehr als 70 Prozent für einen neuen Windpark. In Denklingen, Kreis Landsberg am Lech, waren im November 2022 bei einem Bürgerentscheid 69,5 Prozent für einen Waldwindpark. Aber auch schon 2021 fielen in Buttenheim (Landkreis Bamberg), Sinzing (Landkreis Regensburg), Parkstein (Landkreis Neustadt an der Waldnaab) oder dem Landkreis Ebersberg Bürgerentscheide in Bayern pro Windkraft aus.

Ein Bürgerentscheid ist ein Zeichen der Krise

Das erste, was an dieser Interpretation verwundert, ist die Tatsache, dass Bürgerentscheide in der Regel Zeichen für eine verfahrene Situation sind. Befürworter und Gegner kommen auf normalen Wegen nicht mehr zueinander, so dass die Abgabe von Stimmen dafür sorgen muss, ob das Projekt kommen wird oder nicht. Die Bürgerentscheide in Sinzing und Parkstein wurden zudem auch nur knapp mit 55% : 45% gewonnen. Das heißt, dass knapp die Hälfte der Bevölkerung gegen den Windpark ist und es dort eine starke Opposition inklusive Bürgerinitiativen gibt. Damit ist zwar eine Entscheidung gefällt worden, der Konflikt bleibt aber im Dorf, weil es Gewinner und Verlierer gibt. Beide Seiten hatten vorher sehr intensiv für ihre Sichtweise gekämpft, diese Emotionen sind mit dem Bürgerentscheid nicht plötzlich verschwunden, sondern prägen noch über Jahre die Stimmung im Dorf.

Planungen für Windenergie werden verhindert

Die zweite Merkwürdigkeit an der Interpretation “die Windenergienutzung findet zunehmend Akzeptanz in Bayern” ist, dass der Artikel kein Wort darüber verliert, wieviele Bürgerentscheide zur Windenergie denn in den letzten Jahren verloren wurden oder in wievielen Fällen Windenergieprojekte schon viel früher durch lokale Proteste gekippt wurden. Tatsächlich gibt es aus dem Januar 2022 eine Statistik des Vereins Mehr Demokratie in Bayern. Danach gab es seit Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Bayern im Jahr 1995 66 direktdemokratische Verfahren zum Thema Windkraft. In 38 Fällen kam es dabei zu einem Bürgerentscheid. 15 Bürgerentscheide gingen pro Windkraft aus, während die Bevölkerung in 20 Fällen gegen Windkraftvorhaben stimmte.

Auch wenn man aus den sieben Bürgerentscheiden rein gar nichts zur Akzeptanz der Windenergienutzung in Bayern ableiten kann, lohnt es sich, sie einmal als Best-Practice-Fälle zu nehmen und sich zu fragen, was man daraus lernen kann.

Das Erste und Wichtigste ist die Erkenntnis, dass jeder Fall ganz individuell ist in seiner Konstellation, seiner Vorgeschichte oder den beteiligten Akteuren. Wie auch sonst?!

Zweitens sind mehrere der Orte, in denen Bürgerentscheide stattgefunden haben, Flächengemeinden mit einem Hauptort und vielen kleinen Dörfchen rundherum. In allen Fällen ist nur eines der Dörfer direkt von den Windparkplanungen betroffen, aber nicht der Hauptort. Bei einem Bürgerentscheid stimmen aber alle Einwohner der Gemeinde ab, also auch die vielen nicht betroffenen Einwohner des Hauptortes, was die Wahrscheinlichkeit steigert, dass es zu einer Mehrheit für den Windpark kommt.

Best Practice für Windenergie-Projekte

Und Drittens lassen sich aus den positiv ausgegangenen Bürgerentscheiden zur Windenergie in Bayern eine Reihe von Faktoren ableiten, die für die Umsetzung von Windenergie-Projekten förderlich sind:

  • ein starker Bürgermeister oder ein Gemeinderat, der das Projekt für den Ort will

  • eine Gebietskulisse als Vorranggebiet, so dass man vor Ort nicht mehr über das Ob entscheiden kann, sondern nur noch über das Wie

  • ein starkes lokales Thema, an das die Windenergie gekoppelt werden kann (z.B. Erhalt der Glasindustrie im Landkreis Kronach)

  • gute begleitende Kommunikation, hier durch die Arbeit der „Windkümmerer

  • eine Fläche, die relativ weit vom Ort entfernt oder auch mitten im Wald liegt (wenn ich es nicht sehe, stört es mich nicht)

  • ein gut geschnürtes Paket an Nutzenaspekten für die lokale Bevölkerung (Energie aus dem Windpark direkt zur Glasindustrie, 40% kommunale oder Bürgerbeteiligung an WEA möglich)

Es lässt sich also festhalten: In Bayern laufen die Diskussionen zur Windenergienutzung ähnlich brisant wie in anderen Bundesländern. Unter günstigen Umständen stoßen Windprojekte aber durchaus auf Zustimmung. Einen entscheidenden Anteil daran hat die die Etablierung (und Bezahlung) von Windkümmerern der Landesagentur für Energie und Klimaschutz (LENK). Hier würde ich es begrüßen, wenn andere Bundesländer mehr von Bayern lernen.

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