Dialoge und Beteiligung sind Mittel, um ein bestimmtes strategisches Ziel zu erreichen.

Neun Praxiserfahrungen für den Einsatz Dialog und Beteiligung (Teil 1)

Nun, es gibt wohl kaum einen Stromnetzbetreiber, der seine Leitungen nicht gern geradeaus von A nach B verlegen würde – wenn er denn könnte. Auch Windparkentwickler schauen heimlich in Weltregionen, in denen die Partei- und Staatsführung festlegt, wie viele Windräder bis wann wohin gebaut werden sollen. Bei Planungsverfahren, die in unserem Land durchaus ein Jahrzehnt dauern können, ist dieser Sehnsucht nur allzu verständlich.

Doch die Zeiten haben sich geändert und mit ihnen die gängigen Planungsmethoden. Es gibt in unserer Gesellschaft einfach zu viele Akteure, die mit mehr oder weniger Macht versuchen, ihre Interessen durchzusetzen. Und wenn man in diesem Macht- und Interessendschungel nicht untergehen will, braucht man heute Dialogverfahren und Partizipation.

Auch bei der Lösung von Konflikten um neue Infrastrukturprojekte sind Dialoge und Beteiligung der neue Zeitgeist, der unbedingt zum Einsatz kommen muss. Man gewinnt manchmal den Eindruck, dass es hier um die Pflege von „heiligen Kühen“ geht. Nach dem Motto: Der Einsatz von Dialogen und Beteiligung ist per sé etwas Gutes und sein Fehlen etwas Schlechtes. Auch die Erwartungen, die an Dialoge und Beteiligung gestellt werden, sind extrem hoch, als wären sie Zauberextrakte, mit denen man Akzeptanz für neue Projekte vor Ort herbeizaubern könnte.

Doch letztlich sind Dialoge und Beteiligung nichts anderes als moderne Mittel, um die eigenen strategischen Ziele zu erreichen. Schließlich könnte man seine Ziele auch mit Vitamin B oder schlicht mit Bestechung durchsetzen. Aber diese Mittel sind ebenso etwas aus der Mode gekommen wie das Durchregieren Dank institutioneller Macht.

Wenn man den Einsatz von Dialogen und Partizipation erst einmal zurechtgestutzt hat, hat man den Blick frei und kann realistische Erwartungen an sie richten. Ja, Dialogverfahren können genau das richtige Mittel sein, um in verfahrenen Situationen zu Lösungen zu kommen oder um Akzeptanz für einen neuen Windpark zu gewinnen. Im Einzelfall können sie einer Lösung aber auch im Weg stehen und Proteste ausweiten. So bieten Dialogveranstaltungen auch eine Plattform, die Projektgegnern die Möglichkeit bietet, sich zu finden, sich zu vernetzen und eine Bürgerinitiative zu gründen.

Voreiniger Zeit hatten wir bei der Befriedung eines Windkonflikts im Norden von Brandenburg zu tun. Die Stakeholderanalyse zeigte starken lokalen Widerstand gegen das Repowering-Projekt. Um vor Ort aufzuklären, organisierte der Windpark-Projektierer eine Informationsveranstaltung mit vielen einzelnen Ständen, um möglichst persönlich aufklären zu können. Doch es kam ganz anders. Die Bürger des Ortes nutzten die Veranstaltung lautstark für ihren Protest: „Die Windräder sind zu groß, zu laut und zu nah am Ort.“ Mit der Informationsveranstaltung hatten wir also unfreiwillig den Protesten vor Ort eine neue Plattform gegeben.

Man sollte also genau hinschauen, ob Dialog- und Beteiligungsverfahren das richtige Mittel sind, um die Realisierung eines Infrastrukturprojekts zu befördern oder ob es andere, möglicherweise bessere Wege gibt.

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Dialog und Beteiligung müssen an den Bedarfen der Menschen ansetzen.

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Warum Beteiligung nicht gut oder schlecht ist