Vorsicht Waldschutz!

Wie man aus 30 Unterstützern 7.000 macht

In der Region Passau gibt eine Bürgerinitiative, die für mehr Waldschutz kämpft! Obwohl eigentlich gibt es in und um Passau nur ein paar Menschen, die teilweise seit Jahren gegen Kiesabbau, ein Gewerbegebiet, eine Betriebserweiterung und ein neues Wohngebiet kämpfen. Ziemlich erfolglos muss man sagen, weil die Projekte längst von den Gemeinde- und Stadträten abgesegnet sind. Dann änderten die insgesamt 30 ziemlich erfolglosen Menschen aber ihre Strategie.

Im Januar 2023 trafen sie sich und stellten fest, dass für jedes der von ihnen bekämpften Projekt Wald gerodet werden muss - insgesamt 50 ha. Also taten sie sich zusammen und stellten das Thema Wald in den Mittelpunkt des Kampfes ihrer neuen Bürgerinitiative “Waldschutz Passauer Land”. Und seitdem hat ihr Kampf eine ganz neue Dynamik gewonnen. Erst bekamen sie Unterstützung vom Bund Naturschutz, dann von regionalen Experten und dem Landesbund für Vogelschutz. Es wurden regelmäßig Waldexkursionen angeboten. Im Mai 2023 begannen die Mitstreiter von der Bürgerinitiative mit der Sammlung von Unterschriften für ein Bürgerbegehren “Rettet die Passauer Wälder”. Plötzlich witterten auch andere zivilgesellschaftliche Vereine Morgenluft für ihre Anliegen und hängten sich an die Aktion. Und spätestens die Unterstützung der Passauer Grünen und der Passauer ÖDP machte aus dem Bürgerbegehren einen politischen Prozess.

Waldschutz als Dach für unterschiedliche Interessen

Denn nun konnten alle Lokalpolitiker, die mit der Politik des SPD-Oberbürgermeisters und der SPD-CSU-Mehrheit im Stadtrat unzufrieden waren, das Thema Wald nutzen, um Kritik an der verfehlten (Wald-)Politik der Stadt zu üben. Das Bürgerbegehren wurde zum Selbstläufer. Die Waldbewegten sammelten innerhalb eines Monats locker 7.300 Unterschriften, obwohl nur 2.500 Unterschriften nötig gewesen wären. Entsprechend wird es nun am 17. September 2023 in Passau einen Bürgerentscheid geben, in dem die Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen dürfen, ob die Rodung von Wald bei künftigen Bauvorhaben untersagt sein soll.

Solche Waldschutz-Entwicklungen finden sich derzeit in vielen Gegenden Deutschlands. So kämpfte die Bürgerinitiative Waldkleeblatt in Brandenburg eigentlich gegen Windräder im Wald, inzwischen aber auch für Naturwald. In Niedersachsen wollte der Fuhrenkamp-Schutzverein einst die Verlängerung der Westtangente verhindern, geblieben sind Menschen, die sich für Naturschutz und Walderhalt einsetzen. In Sachsen kämpft die Bürgerinitiative „Ein Wald für Cottas Klima“ für den Erhalt von Park- und Waldflächen, auch um die zunehmende Bebauung mit Wohnhäusern zu verhindern.

Egoismus kann viel bewegen

“Waldschutz” ist derzeit in aller Munde. Der Wald in Deutschland ist in einem katastrophalen Zustand und muss aus Sicht vieler Akteure dringend gerettet werden - im Großen wie im Kleinen. Deshalb eignet sich “Waldschutz” auch ideal als Thema, das Menschen mit oft sehr unterschiedlichen und oft sehr egoistischen Anliegen unter einem “Dach” vereint. Plötzlich kämpfen wie in Passau Erholungssuchende, Förster, Vogelschützer, Lärmgeplagte und Berufspolitiker Seit an Seit.

Um diese neue “Waldbewegung” möglichst nicht verpuffen zu lassen, sollten Försterinnen und Förster aufmerksam und kreativ durch die Lande gehen, und die vielen neuen Waldbewegten in Baumpflanzungen oder Planungen für Waldumbau einbinden. Denn hier werden tatsächlich viele Hände gebraucht. Und so kann am Ende tatsächlich etwas Positives für den Wald herausspringen.

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Vergessene Beteiligungsmöglichkeiten

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Tipps aus der Akzeptanz-Praxis: Was tun, wenn die Infoveranstaltung aus dem Ruder läuft?