Vergessene Beteiligungsmöglichkeiten

Wenn man an Bürgerbeteiligung bei Bauvorhaben denkt, fallen einem sofort Methoden wie Bürgerforen, Bürgerentscheid oder Bürgerdialoge ein. Die häufigste Methode direkter Beteiligung auf Gemeindeebene wird meist vergessen: die Einwohnerfragestunde. Und ganz ehrlich, es klingt aber auch verstaubt: eine Einwohnerfragestunde in der Gemeinderatssitzung!

Kommunalverfassung und Einwohnerbeteiligung

In den Kommunalverfassungen der allermeisten Bundesländer ist die direkte Beteiligung der Einwohner des Ortes vorgesehen. So regelt die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg in § 13 Beteiligung und Unterrichtung der Einwohner: “Die Gemeinde beteiligt und unterrichtet die betroffenen Einwohner in wichtigen Gemeindeangelegenheiten. Zu diesen Zwecken sollen Einwohnerfragestunden, Einwohnerversammlungen, Einwohnerbefragungen oder andere Formen kommunaler Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden.” Wie eine Einwohnerfragestunde dann konkret durchgeführt wird, regeln die Gemeinden in der Hauptsatzung selbst. Die Stadt Angermünde hat z.B. die folgende Regelung: “In öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung sind alle Personen, die in der Stadt ihren ständigen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (Einwohner), berechtigt, kurze mündliche Fragen zu Beratungsgegenständen dieser Sitzung oder anderen Gemeindeangelegenheiten an die Stadtverordnetenversammlung oder den Bürgermeister zu stellen sowie Vorschläge oder Anregungen zu unterbreiten (Einwohnerfragestunde). Die Einwohnerfragestunde soll 30 Minuten nicht überschreiten. Jeder Einwohner kann sich im Regelfall mit bis zu drei unterschiedlichen Themen zu Wort melden. Die Wortmeldungen sollen drei Minuten nicht überschreiten.

Einwohnerfragestunde als Ventil

Meist passiert unter dem Tagesordnungspunkt “Einwohnerfragestunde” nicht viel, da die Themen der Gemeinderatssitzung nicht so mitreißend sind, dass Einwohner dort unbedingt zuhören wollen. Doch manchmal erwacht die Einwohnerfragestunde aus ihrem Dornröschenschlaf: Wenn Projektierer ihre Planungen für neue Infrastrukturprojekte wie einen Windpark, einen Solarpark oder anderes vorstellen, kann es in der Einwohnerfragestunde richtig heiß hergehen. Denn sie bietet Gelegenheit, sich als Einwohner Luft zu machen und den gewählten Gemeindevertretern auf den Zahn zu fühlen, wie sie denn zu dem Bauvorhaben stehen.

Unterstützung demonstrieren

Doch grundsätzlich bietet die Einwohnerfragestunde auch die Möglichkeit, lokale Unterstützer des Bauvorhabens in den Gemeindesaal zu bringen. Und mit positiven Statements oder der Übergabe einer Unterschriftenliste von Unterstützern kann eine ganz andere Stimmung in die Gemeinderatssitzung gebracht werden, als wenn sich nur Gegner zu Wort melden würden. Projektierer sollten diese Möglichkeit der Einflussnahme bei ihren “Marketingaktivitäten” von Anfang an im Hinterkopf haben und z.B. im Rahmen von Unterstützerkampagnen nutzen. Ansonsten kann es sehr leicht passieren, dass ihr Projekt schon beim ersten Auftritt von Gegnern totgeredet wird.

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