Praxis-Tipps im Umgang mit Bürgerprotesten

Verschaffen Sie sich einen Überblick über die lokalen Gegebenheiten, die dort lebenden Menschen, über die Leute, die vor Ort etwas zu sagen haben, über Vorerfahrungen mit ähnlichen Projekten und die aktuell diskutierten Themen Ihres Projektgebiets.

Sprich: Die Kartierungen, die Sie sonst für Flora und Fauna, für Luftschadstoffe oder Lärm durchführen, wenden Sie auf die sozialen Gegebenheiten an. Wir nennen das soziale Standortbewertung. Diese ist wichtig, weil Sie in den kommenden Monaten oder Jahren in diesem sozialen Umfeld agieren müssen und auf ein möglichst gutes Verhältnis mit den Menschen vor Ort angewiesen sind. Im Ergebnis bekommen Sie Hinweise, wie verträglich Ihr Projekt unter sozialen Gesichtspunkten für die Region ist, in der Sie das Projekt umsetzen wollen, und wo es Reibungspunkte geben wird.

Wichtige Analysetools bei einer sozialen Standortanalyse sind Medienanalysen und Interviews mit den Entscheidungsträgern und Meinungsführern vor Ort. Sie können aber auch von Haustür zu Haustür gehen, um sich ein Bild von der Wahrnehmung Ihres Projekts machen. Oft dominieren nämlich die wenigen lauten Stimmen der Gegener Ihres Projekts die öffentliche Meinung, während man die vielen anderen Stimmen gar nicht hört.

Kürzlich wurden wir von einem Windunternehmen engagiert, herauszubekommen, welche Meinung zum geplanten Windpark unter den Bürgerinnen und Bürgern vorherrscht. Der Gemeinderat stand grundsätzlich hinter dem Projekt, eine Bürgerinitiative hatte aber gegen den Windpark mobil gemacht. Bevor der Gemeinderat eine endgültige Entscheidung trifft, wollte er wissen, ob wirklich die Mehrheit der Bevölkerung den Windpark mittragen würde. Wir bereiteten eine Haustürbefragung vor, “sattelten” unsere Fahrräder und fuhren alle fünf Dörfer, die zu der Gemeinde gehörten, ab. Am 1. Tag klingelten wir an allen Türen der 600 Haushalte und erreichten ca. 35%. Am 2. Tag wiederholten wir die Befragung bei allen Haushalten, die wir noch nicht erreicht hatten. So konnten wir letztlich 55% aller Haushalte befragen und bekamen ein klares Meinungsbild: 15% unterstützten den Bau des Windparks, 75% hatten kein Problem mit dem Windpark und nur 10% waren dagegen. Wir erfuhren auch, was kritisch gesehen wurde, wir erfuhren, mit wem man unter welchen Bedingungen zusammenarbeiten konnte, und konnten der Windfirma klare Empfehlungen für die strategische Kommunikation geben. Doch die größte Bedeutung für die Akzeptanz vor Ort hatte die Befragung selbst. Indem wir zu den Leuten an die Haustür kamen und um ihre Meinung baten, fühlten sich diese einbezogen und wertgeschätzt.

Der Erfolg solcher Befragungen hängt natürlich davon ab, wie stark sich der Konflikt im Vorfeld schon hochgeschaukelt hatte. Umso verhärteter die Fronten schon sind, desto mehr Türen bleiben verschlossen. Deshalb empfehlen wir eine soziale Standortbewertung gleich in die Planung Ihres Projekts zu integrieren.

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Tipp 4: Entscheidungsträger direkt ansprechen

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Tipp 2: Mit der lokalen “Brille” schauen