Beteiligungsverfahren für die Endlagersuche

Am 28. September 2020 präsentierte die Bundesgesellschaft für Endlagersuche (BGE) im Zwischenbericht „Teilgebiete“ die potenziellen Standorte für ein Atommüllendlager. Danach soll es Informationsveranstaltungen, Diskussionsrunden etc. geben. Alles fein ausgedacht. Über mehrere Jahre hatte das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) alles an namhaften Beteiligungsexpert*innen zusammengeholt, was Deutschland zu bieten hat. Es wurde gestritten, diskutiert und vor allem methodisch gefeilt. Es wird ein Nationales Begleitgremium geben. An einen Partizipationsbeauftragten ist gedacht. Selbst die junge Generation soll angemessen beteiligt werden. Herausgekommen ist ein aus Behördensicht perfekt gestyltes Beteiligungsverfahren, das – nun leider – aber auch gar nichts mit der Realität zu tun hat.

Bürgerbeteiligung, so wie sie seitens des BASE vorgesehen ist, geht davon aus, dass dort Leute teilnehmen werden, die sich informieren wollen, Anregungen geben möchten und Erwartungen äußern. Doch die Region, in die das Endlager kommt, hat überhaupt keinen Nutzen davon und entscheidet auch nicht selbst darüber, ob das Endlager dort angesiedelt wird. Der Protest, der den „Bürgerbeteiligern“ vom BASE entgegenschlagen wird, wird deshalb auch maximal sein – egal in welche Region man geht. Und die Veranstaltungen des BASE werden dann die perfekte Bühne sein, um den Protest in die Öffentlichkeit zu schreien.

Der Protest ist bereits da

Doch an dieser Stelle müssen wir gar keine Schreckensbilder für die Zukunft an die Wand malen, denn bereits seit Monaten regt sich auf lokaler und regionaler Ebene Protest gegen ein Atommüllendlager vor der eigenen Haustür.

  • In Ostbayern hat sich eine Bürgerinitiative gegen ein eventuelles Endlager im Saldenburger Granit gegründet, der auch die Stadt Passau beigetreten ist. In Wunsiedel macht die Bürgerinitiative „Kein Endlager im Fichtelgebirge“ mobil.

  • Aktivist*innen der Anti-Atomkraftbewegung rufen im brandenburgischen Netzeband dazu auf, sich mit Aktivist*innen anderer Endlagerstandorte zusammenzuschließen, um so im anstehenden Beteiligungsverfahren Stärke zu zeigen.

  • In Baden-Württemberg bleibt der Hegau ein heißer Endlager-Kandidat. In Thüringen zittern die Bewohner*innen der Region Stadtilm, dass sie den schwarzen Peter zugeschoben bekommen. Auch Bunde an der niederländischen Grenze und das Emsland zählen zu den Regionen, die für ein Atommüllendlager in Betracht kommen. Und überall rufen Politiker*innen dazu auf, Fakten zu sammeln, die Minuspunkte bei der Standortbewertung für ein Endlager einbringen.

  • Das Bundesland Bayern versichert seinen Bürger*innen zwar weiterhin, dass Bayern atommüllfrei bleiben wird und kassiert dafür eine Rüge von Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Doch die Karte mit den geeigneten geologischen Formationen macht auch einen Standort östlich von Neu-Ulm möglich.

Aber nicht nur die Abwehrschlacht gegen ein mögliches Endlager vor der eigenen Haustür hat längst begonnen, auch der so wunderbar geplante Beteiligungsprozess selbst wird zunehmend kritisiert.

  • Die Öffentlichkeit werde in diesem Verfahren gar nicht beteiligt, sondern nur angehört.

  • Es mangele an Transparenz.

  • Die Zeitspanne zwischen der Veröffentlichung des Zwischenberichts und der Fachkonferenz im Oktober 2020 sei zu kurz für eine gründliche Vorbereitung.

  • Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hat deshalb auch ein Rechtsgutachten gegen den Zeitplan des Beteiligungsverfahrens erarbeitet.

  • Und nun startet Niedersachsen noch vor dem Bund mit einem eigenen „Begleitforum Endlagersuche“.

Das Misstrauen sitzt überall tief.

Selbstbestimmte Standortauswahl

Wie wäre es hingegen, wenn nicht der Bund entscheiden würde, wo letztlich ein Endlager hinkommt, sondern die Regionen selbst? Stellen Sie sich vor, am 28. September 2020 wird ein Bericht mit 60 potenziellen Endlagerstandorten veröffentlicht. Und zusammen mit möglichen Standorten wird eine stattliche Summe in Euro ausgeschrieben, die einer Standortregion für Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden soll. Um diese Summe kann sich jede Region bewerben.

Natürlich ist nicht zu erwarten, dass auch nur eine der potenziellen Standortregionen sofort den Arm heben und „Hier!“ rufen wird. Deshalb wird die stattliche Summe Geld in vorab festgelegten Abständen immer weiter erhöht. Irgendwann kommen in einzelnen Regionen Diskussionen auf, ob ein Endlager im Vergleich zu der riesigen Summe Geld, die in Aussicht steht, wirklich so gefährlich ist.

Doch die Diskussionen dürfen sich nicht zu lange hinziehen. Denn der Clou ist, nur die Region, die als erste den Arm hebt und bereit ist, Standortgemeinde zu werden, bekommt den Zuschlag und das ganze viele Geld. Zusätzlich erhält dieser Kandidat weiteres Geld, um eigene Gutachten anfertigen zu lassen, um einen eigenen Beteiligungsprozess in der Region zu organisieren usw.

Das Ganze nennt sich „Negatives Auktionsmodell“ und eignet sich für alle Prozesse, wo ein Schwarzer Peter vergeben werden soll und wo es mehrere mögliche Standorte für das zunächst sehr unbeliebte Projekt gibt – also z.B. für ein Atommüllendlager. Bei diesem Ansatz wird der Auswahl- und Beteiligungsprozess potenziellen Standortregionen in die Hände gelegt. So kann man vor Ort selbstbestimmt vorgehen und selbst entscheiden, wann der erwartbare Nutzen höher ist als die befürchteten Risiken.

Das negative Auktionsmodell wird regelmäßig in der Finanzwirtschaft eingesetzt. Aber auch bei der Vergabe von Mobilfunkfrequenzen kommt es zum Einsatz: Der Mobilfunkanbieter, der als erster bereit ist, ein abgegrenztes Gebiet flächendeckend mit Mobilfunk zu versorgen, bekommt den Zuschlag und einen staatlichen Zuschuss. In den USA wurde das negative Auktionsmodell bereits dafür genutzt, einen Standort für eine Mülldeponie zu finden, und in Skandinavien, wurde mit dem Ansatz ein Endlagerstandort für Atommüll gefunden.

So, jetzt aber Schluss mit dem Träumen, denn das wäre wirkliche Beteiligung. Bei der anstehenden Standortauswahl wird es nur darum gehen, mit möglichst smarten Beteiligungsmethoden einer der 60 Regionen den Schwarzen Peter zuzuschieben.

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